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Historie

Verlagsgründer
Johann Heinrich Wilhelm Dietz

Die Geschichte des Dietz-Verlags

Seit 1881 begleitet und kommentiert der Verlag J.H.W. Dietz Nachf. die deutsche Geschichte. Mit seinen Autoren und Büchern hat er stets den gesellschaftlichen Diskurs mitgestaltet: eine Verlagsgeschichte als Spiegel der politischen Entwicklung Deutschlands vom Sozialistengesetz im Kaiserreich bis zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Die Jahre der »Nicht-Existenz« gehören dazu. Denn nachdem die Nationalsozialisten den Verlag kurz nach der »Machtergreifung« geschlossen haben, wird sein Name 1934 aus dem Handelsregister gelöscht und sein Vermögen zugunsten des Landes Preußen eingezogen.

Bis zu diesem Zeitpunkt sind über 600 Titel erschienen, viele davon heute »Klassiker« der sozialistischen und sozialdemokratischen Theorie und Arbeiterbewegung, damals freilich aktuelle Texte, die lebhaft auf die Debatten und Praxis der jungen Sozialdemokratie und der Gewerkschaften zurückwirkten.

Namensgeber und Verlagsgründer ist Johann Heinrich Wilhelm Dietz, seit 1875 Leiter der sozialdemokratischen »Genossenschafts-Druckerei« in Hamburg. Als sie durch das Sozialistengesetz 1878 von der Schließung bedroht ist, kauft er sie »zum Schein« auf. Ein Jahr später wird Dietz jedoch aus der Hansestadt ausgewiesen und geht nach Stuttgart. Dort gründet er 1881, inzwischen Reichstags-Abgeordneter, den Verlag, der bis heute seinen Namen trägt. Getreu seinem Motto »Ich verlege, was mir passt«, macht er das Unternehmen rasch zu einem der bedeutendsten politischen Verlage im deutschsprachigen Raum. Dietz selbst, der 1922 stirbt, wird zu dem sozialistischen Verleger par excellence oder, wie Kautsky sagte, zum »Cotta der Sozialdemokratie«.

Karl Marx
Das Elend der Philosophie

Frühe Autor*innen

Der erste Dietz-Bestseller ist die deutsche Übersetzung von Marx’ »Das Elend der Philosophie«. Den Ruhm des Hauses begründet die »Internationale Bibliothek«. Sie versammelt, was in Wissenschaft und Arbeiterbewegung Rang und Namen hat: Der erste Band ist Edward B. Avelings Untersuchung über »Die Darwinsche Theorie«, Karl Kautsky schreibt über den »Ursprung des Christentums«, August Bebel über »Die Frau und der Sozialismus« – bis heute mit über 220.000 Exemplaren eines der meistverkauften Bücher des Verlags. Auf Russisch publiziert Lenin bei Dietz erstmalig seine Schrift »Was tun? – Brennende Fragen unserer Bewegung«. Die Zeitschrift »Die neue Zeit« wird ab 1883 unter der langjährigen Leitung Kautskys zum führenden Theorieorgan der Arbeiterbewegung. Die Satirezeitschrift »Der wahre Jacob« finanziert die politischen Titel – noch heute findet sie sich als Reprint in der Backlist des Verlags und zeigt, was Satire damals konnte.

Rosa Luxemburg, Wilhelm Liebknecht, Friedrich Engels, Adolf Grimme, Eduard Bernstein, aber auch Literaten wie Maxim Gorki und Joseph Roth gehören zu den Dietz-Autor*innen. Kurz: Bis die Nazis ihn liquidieren, bildet J.H.W. Dietz Nachf. wissenschaftlich, politisch und kulturell eines der intellektuellen Zentren für die fortschrittlichen demokratischen Kräfte des Kaiserreichs und der Weimarer Republik.

Nach dem Krieg: Der »neue« Verlag ist der alte

Mitte der 1950er Jahre wird das Dietz-Erbe – oder das, was davon übrig ist – durch die Schmidt-Küster GmbH, Berlin, aufgefangen. Doch erst 1961 gelingt es, die von den Nazis veranlasste Löschung der Firma J.H.W. Dietz Nachf. wieder aufheben zu lassen. In der DDR hat die SED früh einen anderen »Dietz-Verlag« etabliert, benannt nach einem Karl Dietz aus Rudolstadt. Die Namensgleichheit soll eine Kontinuität mit dem sozialdemokratischen Verlagshaus suggerieren, die es nie gab. Erst nach der Wiedervereinigung wird gerichtlich erreicht, dass das heute zur Rosa-Luxemburg-Stiftung gehörende Unternehmen unter »Karl Dietz Verlag, Berlin« firmieren muss, um Verwechslungen mit dem »historischen« Verlag J.H.W. Dietz Nachf., dessen Sitz in Bonn ist, auszuschließen.

J.H.W. Dietz Nachf. wird 1973 von der Friedrich-Ebert- Stiftung erworben. Der Verlag, nun mit Sitz in Bonn, steht weiterhin in einer sozialdemokratischen Tradition, ohne dabei zum Parteiverlag zu werden. Neue Themen finden Eingang in das Programm: Ökologie, Frauen- und Friedensbewegung, Entwicklungspolitik und die Geschichte des Nationalsozialismus. Renommierte Reihen wie die »Geschichte der Arbeiterbewegung« und die »Berliner Ausgabe« der Werke Willy Brandts entstehen ebenso wie die Zeitschriften »Neue Gesellschaft/ Frankfurter Hefte«, das »Archiv für Sozialgeschichte« und »Internationale Politik und Gesellschaft«.

Heute produziert das sechs-köpfige Team des Verlages in Bonn 30 bis 35 Titel pro Jahr. Aktuelle Debattenbücher, politische und soziale Problemanalyse, historische Forschung und Theorie sowie die Diskussion wichtiger Zukunftsfragen bilden den Kern des Programms. In den letzten Jahren sind Publikationen über Rechtspopulismus und Rechtsextremismus ins Zentrum unseres Programms gerückt.