Souad Lamroubal spricht in der neuen Podcastreihe des Dietz-Verlags »Yallah Deutschland, wir müssen reden!« mit ihren Gästen über Migration, Integration und Rassismus in Deutschland. Zu Wort kommen dabei von Rassismus Betroffene, Wissenschaftler*innen, Politiker*innen, Comedians und Künstler*innen. In dieser Folge ist der bekannte Konfliktforscher Prof. Andreas Zick zu Gast.
Als Herausgeber der »Mitte-Studie« erforscht Zick regelmäßig demokratiegefährdende und rechtsextreme Einstellungen in der Gesellschaft, dokumentiert Tendenzen und Entwicklungen und stellt fest:
Es ist nicht so, dass die Gesellschaft den Rassismus und die vielen Formen von Menschenfeindlichkeit so ernst nimmt, wie es die Verfassung vorsieht.
Prof. Dr. Andreas Zick
Zwar nehme in der langfristigen Perspektive die Zustimmung zu offen menschenfeindlichen Einstellungen tendenziell ab. Gleichzeitig wandere die Mitte der Gesellschaft aber in einen vagen „Teils-Teils-Bereich“. So wächst die Gefahr, dass sich subtilere Formen von Vorurteilen in breitere Bevölkerungsteile einschleichen.
Auch wenn die deutsche Gesellschaft weiter ist als in den 60er-Jahren, könnten wir schon viel weiter sein, so Zick. Insbesondere müssten wir kritischer mit den eigenen Abwehrreflexen bei dem Thema umgehen: „Wir haben ein Grundproblem, wenn von Menschenfeindlichkeit und Rassismus die Rede ist, und es selbst bei der Bewertung wissenschaftlicher Ergebnisse den Reflex gibt ‚Aber es kann doch gar nicht so schlimm sein'“. Auch sind es immer wieder erst die drastischen Fälle wie die Tötung von George Floyd durch Polizisten in den USA, die das Thema Rassismus in der Öffentlichkeit nach vorne tragen und die Problematik sichtbar machen.
Viele Schilderungen und Beschreibungen in Lamroubals Buch werden von der Wissenschaft bestätigt: Wer einen rassistischen Gewaltakt verübt, kann das in der Regel nur tun, wenn keine nennenswerte Zivilcourage von Umstehenden zu erwarten ist. Und genau hier sei eine rote Linie zu ziehen. Menschenfeindlichen und rassistischen Haltungen muss entschieden entgegengetreten werden, sodass hier keine Räume für Relativierungen entstehen.
Zu Vorsicht rät Zick außerdem im Umgang mit dem Begriff „Zusammenhalt“. Von vielen Seiten werde die Bedeutung von gesellschaftlichem Zusammenhalt betont und gepredigt. Allerdings zeigen die Daten der Mitte-Studie, dass Menschen, die sich um den Zusammenhalt in der Gesellschaft sorgen, eher rassistische und menschenfeindliche Haltungen haben. Der Begriff „Zusammenhalt“ wird in Deutschland also immer noch exklusiv gedacht und schließt Minderheiten in der Regel aus. Einer politischen Forderung nach „Zusammenhalt“ müsse daher stets mit einer gesunden Skepsis begegnet werden:
Der Appell »Deutschland, wir müssen zusammenhalten« – ich weiß gar nicht, wie das funktionieren soll. Aufgrund unserer Daten kann ich nur davor warnen! Besser wäre es, zu sagen »Deutschland, wir müssen reden«. Wir müssen in Kontakt kommen, wir müssen reden, wir müssen uns austauschen. Und dann können wir irgendwann gucken, ob wir etwas hinbekommen wie einen gesellschaftlichen Zusammenhalt, der auch Diversität und Normalität von Migration anerkennt.
Prof. Dr. Andreas Zick
Die Autorin Souad Lamroubal ist deutsch-marokkanische Kommunalbeamtin und Integrationsexpertin, Dozentin für Interkulturelle Kompetenz, Soziale Kompetenzen und Kommunikation. In der Podcast-Reihe des Dietz-Verlags »Yallah Deutschland, wir müssen reden!« spricht sie regelmäßig über Integration, Migration und Rassismus. Dabei hört sie Betroffenen zu und diskutiert Fragen und Forderungen mit Politiker*innen und Wissenschaftler*innen. Zu Gast sind u.a. die Filmemacherin und Aktivistin Mo Asumang, der Asylrechtsanwalt Jens Dieckmann und die CDU-Politikerin Serap Güler.
Prof. Dr. Andreas Zick ist Sozialpsychologe, Professor für Sozialisation und Konfliktforschung an der Uni Bielefeld und Direktor des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG). Als Herausgeber der »Mitte-Studie« untersucht er regelmäßig rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in der deutschen Gesellschaft.
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