Yallah Deutschland, wir müssen reden! Podcast-Gespräch mit Souad Lamroubal und Jens Dieckmann über deutsches Asyl- und Aufenthaltsrecht

Die Rechte von Flüchtlingen in Deutschland. Souad Lamroubal und Asylanwalt Jens Dieckmann im Podcast-Gespräch

In dieser Folge der Podcastreihe »Yallah Deutschland, wir müssen reden!« spricht Autorin Souad Lamroubal mit dem Anwalt Jens Dieckmann über die Überlastung der Ausländerbehörden und was das für die Rechte von Flüchtlingen bedeutet. Dieckmann ist insbesondere im Bereich des Asyl- und Ausländerrechts tätig; er ist Mitglied der Fachkommission Asyl von Amnesty International und bundesweit als Referent für Asyl- und Ausländerrecht tätig.

Überlastete Behörden seit 30 Jahren

Dass Ausländerbehörden überlastet sind, ist kein neues Phänomen. Dieckmann weiß, dass die Situation schon in den 90er-Jahren nicht anders war: „Das ist ein Thema, das mich die ganze Zeit meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt begleitet, und es war immer ein Problem. Das hatte damals schon damit zu tun, dass die Ausländerbehörden nicht nur unzureichend ausgestattet waren, sondern immer auch einen besonders hohen Krankenstand und hohe Abwesenheitsquoten hatten. Das hat immer schon zu langen Laufzeiten geführt“. Die Belastung wurde nochmals gesteigert durch die hohe Zahl an Geflüchteten, die 2015 nach Deutschland kamen, durch die Coronapandemie, in der direkte Kommunikation nicht mehr möglich war, und zuletzt durch den Ukraine-Krieg.

Welche Möglichkeiten haben Geflüchtete?

Der desolate Zustand der Behörden führt oft dazu, dass Asylsuchende ihre Rechte nicht wahrnehmen können. Zum Beispiel, wenn die Ausstellung einer Arbeitserlaubnis so lange dauert, dass ein Jobangebot in der Zwischenzeit wieder vom Tisch genommen wird. Dieckmann erläutert die rechtlichen Möglichkeiten für Geflüchtete in solchen Fällen: die Möglichkeit der Untätigkeitsklage und des Eilantrags. Und: mehr Personal ist dringend nötig: „Wenn es irgendwo brennt, muss der Staat im Zweifel aushelfen. Dann müssen eben aus anderen Ämtern Menschen abgeordnet werden oder kurzzeitige Verträge abgeschlossen werden.“

Flüchtlinge erster und zweiter Klasse?

In der Öffentlichkeit wird heftig diskutiert warum das Management der Flüchtlingspolitik für Ukrainer*innen verglichen mit der Situation 2015 so schnell und unbürokratisch organisiert werden konnte. Entscheidet letztlich vielleicht doch die Hautfarbe über „Flüchtlinge erster und zweiter Klasse“?

Der entscheidende Unterschied sei, dass Ukrainer*innen mit ihrem Pass legal nach Deutschland einreisen dürfen und sofort Zugang zum Arbeitsmarkt und Jobcenterleistungen hätten, erklärt Dieckmann:

„Der Schlüssel ist der Zugang. Solange wir keine humanitären Visa für Schutzsuchende aus aller Welt haben, und die Menschen ohne Visa nach Deutschland kommen müssen, werden wir die Erfahrungen aus der Ukraine nicht auf die anderen Geflüchteten übertragen können. Es bedarf einer humanitären Revolution, nicht mehr und nicht weniger. Wir müssen unseren Blick auf Schutzsuchende global verändern und humanitäre Visa schaffen.“

Jens Dieckmann

Im Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP bereits auf humanitäre Visa für gefährdete Personen und digitale Vergabeverfahren verständigt. Letztlich sei vor allem die Politik in die Pflicht zu nehmen, sie muss die Verwaltung ausreichend ausstatten und organisieren, sodass diese effizient arbeiten kann.

Autorin und Gast

Die Autorin Souad Lamroubal ist deutsch-marokkanische Kommunalbeamtin und Integrationsexpertin, Dozentin für Interkulturelle Kompetenz, Soziale Kompetenzen und Kommunikation. In der Podcast-Reihe zu ihrem gleichnamigen Buch »Yallah Deutschland, wir müssen reden!« spricht sie regelmäßig über Integration, Migration und Rassismus. Dabei hört sie Betroffenen zu und diskutiert Fragen und Forderungen mit Politiker*innen und Wissenschaftler*innen.

Jens Dieckmann ist im Bereich des Asyl- und Ausländerrechts tätig. Bereits seit dem Studium berät und unterstützt Dieckmann Menschen ehrenamtlich zu asyl- und ausländerrechtlichen Fragen und Problemen. Er ist im Beirat der Refugee Law Clinic (RLC) der Universität Köln und des gesamtdeutschen Dachverbands der RLC.

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